Die Arbeit von Papyrolog*innen hat sich lange Zeit kaum verändert. Doch mit dem Aufkommen digitaler Technologien hat sich die Landschaft grundlegend gewandelt. Plattformen wie Papyri.info bieten eine zentrale, zugängliche Datenbank, die den Arbeitsalltag von Wissenschaftler*innen erheblich erleichtert. Dr. James Cowey (Institut für Papyrologie/Universität Heidelberg) beleuchtete in seinem Vortrag, wie digitale Werkzeuge die klassische Editionsarbeit transformieren und welche neuen Möglichkeiten und Herausforderungen sie für die wissenschaftliche Gemeinschaft bereithalten.
Traditionell bestand die Arbeit von Papyrolog*innen darin, Papyri zu entziffern, Texte zu rekonstruieren, die Inhalte zu analysieren und zu kommentieren. Eine „klassische“ Edition umfasst jede Menge Details, wie zum Beispiel die Datierung, Maße und Inventarnummer des Papyrus sowie eine Darstellung des Inhalts, wobei sowohl der Text als auch die verwendete Sprache genauer beleuchtet werden. Im Apparatus werden Abweichungen zu den erwarteten Formen in der Koine des Altgriechischen und mögliche Sonderformen im Schriftbild angegeben. In der heutigen digitalen Welt hat sich diese Arbeit jedoch verändert. Dank Papyri.info, der zentralen Sammelstelle für Papyrolog*innen, gibt es eine leicht zugängliche Datenbank, die die Arbeit für Wissenschaftler*innen erheblich erleichtert. Der Erfolg der Datenbank liegt darin, dass zum Start der Plattform mehrere bereits existierende Datenbanken miteinander verbunden und über ein gemeinsames Interface zugreifbar gemacht wurden. Ziel war es nicht, eine neue Datenbank zu gründen, sondern auf vorhandene Datenbestände zuzugreifen und diese zu kombinieren. Während Daten zunächst in Datenbanken wie Filemaker-DB (z.B. in Heidelberg) oder SQL-Datenbanken gespeichert wurden, ist man mittlerweile auf XML-Datensätze umgestiegen, da diese die Meta-Daten und Texte strukturierter speichern und besser durchsuchbar machen.
Früher musste man mühsam Daten in Listen oder Zettelkatalogen sammeln oder sich in Bibliotheken durch Indizes von Büchern blättern. Heute kann die Online-Datenbank sehr einfach durchsucht werden, wobei sowohl der Text nach bestimmten Worten oder Wortteilen als auch die eingegebenen Meta-Daten durchsucht werden können.
Die Grundlage für Papyri.info wurde bereits in den späten 90ern mit Epidoc, ursprünglich speziell für den Bereich der Epigraphik gegründet, geschaffen. Mit Epidoc wollte man nicht nur die Texte, sondern auch die Meta-Daten durchsuchbar machen und setzte deswegen auf XML anstatt auf Datenbanken. Bei der Begründung von Papyri.info suchte man ein einfaches System für die Dateneingabe und Speicherung und stieß dabei auf Epidoc. Man entwickelte es für die eigenen Bedürfnisse weiter und erstellte mit Leiden+ eine eigene Markup-Syntax, die auf die Eigenheiten von Papyri angepasst wurde.
Trotz aller Vorteile, verschwieg Dr. Cowey nicht die Einschränkungen, die bei digitalen Editionen vorliegen. So können beispielsweise keine Klammern am Anfang oder Ende einer Zeile offenbleiben, wie man es in gedruckten Editionen gewohnt ist. Eine weitere Einschränkung ist die fehlende Möglichkeit, die grafische Darstellung von Papyri zu übernehmen, weshalb alle Texte auf Papyri.info linksbündig sind und somit hier Informationen verloren gehen, die man erst durch die Betrachtung von Fotos wieder erlangt.
Damit in der digitalen Version alles auffindbar ist, müssen die XML-Dateien jedoch möglichst genau bearbeitet werden. Dr. Cowey erklärte, dass Papyri.info nicht perfekt sei, und es Fehler und Ungenauigkeiten gäbe, da in der Vergangenheit nicht alles gleich konsequent markiert wurde oder man sich manches erst mit der Zeit bewusst wurde. Er betonte deswegen, dass es wichtig sei, dass die aktuellen Neueintragungen möglichst genau sind.
Insgesamt überwiegen die Vorteile digitaler Editionen. Die eingespielten Daten können nicht nur effizienter genutzt werden, sondern die strukturierten Daten der XML-Dateien lassen sich mit minimalen Anpassungen vielfältig verwenden. Dadurch ist es möglich, digitale Editionen sowohl auf Plattformen wie Papyri.info einzuspielen als auch für Artikel oder wissenschaftliche Journals zu nutzen.
Als Beispiel wurde im Vortrag von Dr. Cowey die Arbeit beim Journal „Pylon: Editions and Studies of Ancient Texts“ vorgestellt, welches an der Universität Heidelberg herausgegeben wird. Die Artikel werden wie in jedem Journal als Word- oder PDF-Dokument an das Editorial Board geschickt. Sobald der Artikel angenommen wird, werden die Autor*innen bei der Umwandlung der Texte in XML-Dateien eingebunden. Hierfür gibt es je nach Artikelart verschiedene Templates, und die Autor*innen müssen Details und Meta-Daten selbst markieren und die Editions-Texte in Leiden+ umschreiben. Das Team hinter dem Journal hilft jedoch auch Personen, die dies nicht selbst schaffen oder auf Probleme stoßen. Da die Texte für Pylon vollständig als XML vorliegen, ist es mit nur wenigen Handgriffen möglich, die Daten sowohl für das Journal als auch für Papyri.info zu nutzen. Durch diesen Arbeitsablauf will man doppelte Arbeitsschritte verhindern und sorgt dafür, dass die Texte schnell und einfach in Papyri.info übertragen werden können. Zudem werden die Artikel in Pylon durch die XML-Strukturierung interaktiver, und alle Daten sind miteinander verlinkt. Per einfachem Klick kann man beispielsweise direkt zur Fußnote springen und von dort zu externen Quellen weitergehen.
Digitale Editionen haben jedoch auch ihre Grenzen, da gewisse Zeichenbesonderheiten aktuell digital nicht auf Papyri.info aufgenommen und dargestellt werden können. Dr. Cowey stellte die Frage in den Raum, ob detailgetreue diplomatische Editionen digital überhaupt notwendig sind, da die Fotos der Papyri diese Besonderheiten ohnehin zeigen. Er betonte, dass diese Sonderschreibformen zwar interessant sein können, aber in einer Datenbank wie Papyri.info nur dann Sinn machen würden, wenn man sie auch maschinell durchsuchen könnte.
Dr. Cowey betonte, dass die Digitalisierung des Fachbereiches Papyrologie stetig fortschreitet und die Editionsarbeit sich verändert. Verschiedene Journals nähern sich trotz all ihrer Eigenheiten immer mehr aneinander an, was vorteilhaft ist. Zum Abschluss wurde dabei noch betont, wie wichtig faire Prinzipien sind und dass Daten für alle auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar sein müssen. Gerade hierfür bietet sich das XML-Modell besonders gut an und was für Papyrolog*innen bereits funktioniert, kann auch für andere Wissenschaftsfelder wie die Epigraphik ebenso funktionieren. Welchen Vorteil diese Datenoffenheit hat, zeigte Cowey an den beiden Projekten Trismegistos und PapyGreek, die beide auf den Daten von Papyri.info basieren.
In der nachfolgenden Diskussion wurde vor allem das Thema Finanzierung und Ressourcen von Datenbanken aufgegriffen. Dr. Cowey betonte, dass er sich um Papyri.info keine großen Sorgen macht, da es genug Personen gibt, die sich mit der Plattform auskennen, und die Datenbank von der Universitätsbibliothek Heidelberg betrieben wird. Auch Pylon als Journal ist in der Universitätsbibliothek Heidelberg angesiedelt, und er ist zuversichtlich, dass jemand aus dem Editorial Board die Leitung übernehmen wird, wenn er in Pension geht. Da der heutige Wissenschaftsnachwuchs mit digitalen Medien aufwachse, mache er sich auch keine Sorgen, um andere Journals, da diese früher oder später von diesen Personen digitalisiert werden würden, wenn sie in die verantwortungsvollen Rollen kommen. Zum Abschluss betonte Dr. Cowey, dass Projekte wie Papyri.info als Chance gesehen werden sollten. In der heutigen Zeit ließen sich Projekte, wie das Sammelbuch leider nicht mehr so einfach finanzieren, und das eigentlich notwendige Personal ist nicht leistbar. Hier können Plattformen, wie insbesondere Papyri.info jedoch Lösungen bieten, da die Arbeitslast verteilt wird. James Cowey zog hier die Community der Papyrolog*innen in die Verantwortung. Es wäre am besten, wenn die Herausgeber*innen ihre Editionen selbst auf Papyri.info eintragen würden. Der Gastsprecher ermutigte alle Anwesenden, sich aktiv zu beteiligen und die Datenbank weiter zu füllen, da jeder Einzelne zum Erfolg von Papyri.info beitragen und die wertvollen Papyri-Quellen einem noch breiteren Publikum zugänglich machen kann (Bericht: Andreas Zommer).