Wrap-Up zum Vortrag von Edith Kapeller (10. Oktober 2022): Editorische use cases für mehrere Textversionen

Die Diskussion zum Projekt Der Österreichische Bibelübersetzer, konkret zu dessen Evangelienwerk, adressierte an erster Stelle die Frage, worin der Mehrwert der synoptischen Edition der Erst- bzw. Bearbeitungsfassung bestehen kann. Da sich der Gestaltungswille bei der Bearbeitung des Textes vor allem in der Umstellung der Kapitel zeigte, wird in der Edition eine Umordnung der synoptischen Sicht nach entsprechenden (aber anders nummerierten) Kapiteln ermöglicht. So erfordert zwar das gezielte Lesen der Bearbeitungsfassung ein bewusstes Durchklicken der dortigen Kapitelzählung. Das ist aber, so der Konsens, dadurch argumentierbar, dass (a) mit einer gedruckten Lesefassung ein lesbarer fortlaufender Text geboten wird; dass (b) in der Einleitung die Besonderheiten der Umarbeitung verdeutlicht und aufbereitet werden; und dass (c) für die künftige Oberflächenentwicklung auch ein interaktiver Einstieg in die Kapitelverschiebungen etwa über einen Konkordanzbalken denkbar wäre (vergleichbar dem Einstieg über Karten, Personennetzwerke oder eine Lagendarstellung: vgl. Edition Visualization Technology (unipi.it)). Betont wurde, auch mit Blick auf vergleichbare Problemlagen (Herberstein, Commenrarii: bibliotheca Augustana (fh-augsburg.de), Welscher Gast Digital: Welscher Gast digital (uni-heidelberg.de)) die Notwendigkeit, editorische Entscheidungen mit Blick auf das Benutzer*innen-Verhalten zu treffen, also synoptische “Überforderung” zu vermeiden und gleichzeitig den eigenen Blick auf die Besonderheiten des Textes als leitend für das Editionsdesign explizit zu machen.

Ebenfalls diskutiert wurde der Umgang des Projekts mit Sonderzeichen sowie der Umstand, dass Abbreviaturzeichen nicht mit eincodiert sind: Wiedergegeben wird der Buchstabenbestand sowie die Auflösung. (Unsichere Auflösungen können auch als solche getagt werden.) Lediglich ein knappes Dutzend (Unicode-)Sonderzeichen kommt zum Einsatz, bei den meisten Fällen unterschiedlicher Grapheme in der Quelle (beispielsweise “s” in verschiedenen Schreibeweisen) wird in der Edition dagegen normalisiert. Ein Grund für diese Vorgehensweise liegt im Fehlen eines verbindlichen Standards für die Verwendung komplexerer Zeichensätze. Diese editorische Entscheidung kann zwar für einen philologischen Zugang Informationsverlust bedeuten, erleichtert jedoch die Arbeit und bringt auch keine Einschränkung bei der Durchsuchbarkeit, zumal Varianten in der Suche mit berücksichtigt werden können.  Im Hinblick auf den Workflow bestehen gute Erfahrungen (a) mit Transkribus, unter ausführlicher Verwendung der Tagging-Funktion; (b) mit einer Ediarum-Adaption (Mediaevum: ediarum: Module), die basierend auf ediarum.base im Kooperation mit TELOTA entwickelt wurde und auf Nachnutzung angelegt ist. Wo vorhanden, werden für die Personen GND-Verweise angebracht.