Am 9. Mai lud der FSP Text & Edition – Editorik zu einem Workshop bezüglich des Stands von digitalen und hybriden Editionen an der Universität Wien. Im Rahmen des Workshops wurden mehrere laufende Projekte vorgestellt, um in der anschließenden Diskussionsrunde gemeinsam mit universitätsexternen Stakeholdern Lösungsansätze für bestehende Probleme zu finden. Vorgestellt wurden die digitale Edition der Korrespondenz der Brüder Pez, die (hybriden) Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, die Edition der Kanzleiregisters Papst Honorius III. und die synoptische Darstellung von Editionen anhand eines mittelhochdeutschen Mariengedichts.
Am Institut für Österreichische Geschichtsforschung beschäftigt sich seit Jahren eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Thomas Wallnig mit der Edition der Korrespondenz der Benediktiner-Gelehrten Bernhard und Hieronymus Pez. Die Korrespondenz umfasst mehr als 1000 Stücke, von denen mittlerweile rund die Hälfte ediert und zwei Bände publiziert wurde. Mittlerweile hat die Forschungsgruppe auch beschlossen, dass in Zukunft alle Edition hybrid erscheinen und alle bereits bestehenden Editionen als digitale Version zur Verfügung gestellt werden sollen. Im Zuge dessen wurde gemeinsam mit dem Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage an der ÖAW ein vom FWF finanziertes Projekt ausgearbeitet. Ziel dieses Projektes ist es, über die hybride Edition der Korrespondenz der Brüder Pez die technischen Grundlagen für andere derartige Projekte in Zukunft zu schaffen. Die digitale Edition erschient nun in der „Brill Scholarly Editions Platform“, da Brill den ursprünglichen Herausgeber der analogen Edition, Böhlau, übernommen hat. Von technischer Seite erlaubt das Interface neben Metadaten-Feldern das Öffnen von zwei Fenster, sodass Text bzw. Regest bzw. Kommentar nebeneinandergestellt werden können.
Die Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung wurden vor rund zwanzig Jahren mit dem Ziel gegründet, verschiedenste Quellentypen, die in großen Reihen keinen Platz finden, einen editorischen Platz zu bieten. Aufgrund des Weges der Edition der Pez-Korrespondenz planen auch die QIÖG – vertreten durch die Redaktionsmitglieder Claudia Feller, Josef Löffler, Julian Ecker und Herwig Weigl – in Zukunft nach Möglichkeit hybrid zu edieren. Wie bei der Pez-Korrespondenz ist der derzeitige Host der digitalen Edition eines Folgebandes (s.u.) die „Brill Scholarly Editions Platform“. Eines der noch ungelösten Probleme betrifft das Verhältnis von normalisiertem Lemma und nicht-normalisierten Quellenbegriff; hier muss für potentielle künftige Editionen eine Lösung gefunden werden. Darüber hinaus ist für die QIÖG wichtig, dass die Eingabe möglichst niederschwellig und leicht anwendbar ist, da man eine große Zahl von Editor*innen aufgrund mangelnder technischer Erfahrung erst überzeugen muss, (auch) digital zu edieren. Daher sollten die festgelegten Templates zur Dateneingabe möglichst generelle Gültigkeit haben. Abschließend erfolgte zur Illustration eine kurze Vorstellung der technischen Aspekte des zweiten dQIÖG-Bandes nach der Pez-Korrespondenz, der Bischöflichen Visitationsprotokolle von Pfarren im Wiener Umland 1582 von Nicole Kröll.
In der Konzeptionsphase befindet sich hingegen die Edition der Kanzleiregister des Papstes Honorius III. unter der Leitung von Daniel Luger. In den letzten Monaten wurden sowohl für die analoge als auch die digitale Edition Arbeitspapiere von Johannes Laroche verfasst. Die Grundlage der Edition bilden die Kanzleiregister im „Archivio Apostolico Vaticano“, welche ca. 5000 Urkunden beinhalten. Das Projekt steht in der Tradition der Edition der Register Innocenz’ III., die am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Kooperation mit dem Österreichischen Historischen Institut Rom entstanden ist. Ein Vorteil des gegenwärtigen Projektes besteht darin, dass man bei Papst Honorius mit den Originalregistern arbeiten kann und daher weniger mit alten Drucken kollationieren muss. Diese freien Kapazitäten kann man für ausführlichere Regesten oder eine stärkere Darstellung der Überlieferung bei den Empfängern verwenden.
Die analoge Edition soll den klassischen Standards der Editionstechnik folgen. Die digitale Edition wird in XML und CEI umgesetzt werden. Sie soll über eine umfangreiche Filterfunktionen nach Empfänger, Formular und Inhalten verfügen. Daneben sollen nach Möglichkeit eine Reihe weiterer Informationen und Funktionen zur Verfügung gestellt werden, so etwa die Empfängerüberlieferung, weiterführende Literatur und eine Exportfunktion. Einige Unsicherheiten bestehen noch hinsichtlich der Verlinkung mit Analysetools, der Verfügbarkeit von Faksimiles (aufgrund der Gepflogenheiten des AAV), sowie der Möglichkeiten, die Kopfregesten automatisiert in andere Sprachen zu übersetzen. Mit solchen ließe sich die internationale Forschung besser erreichen. Eine weitere Frage stellt sich nach möglichen Kooperationen mit Papstdiplomatik-Projekten in anderen Ländern, wie etwa dem Censimento, APOSCRIPTA, Regesta Pontificum Romanorum Online, oder Monumenta Vaticana res gestas Polonicas illustrantia.
Abschließend folgte der Werkstattbericht von Gabriel Viehhauser zur Edition von „Driu liet von der maget“. Es handelt sich dabei um ein Mariengedicht, das 1171 vermutlich in Augsburg entstanden ist und aus drei Büchern mit insgesamt 5 900 Versen besteht. Von dem Text sind zwei Versionen vollständig und fünf fragmentarisch überliefert. Angesichts der Überlieferungslage kann man nicht von einer Leithandschrift ausgehen. Von Anfang an bestanden mehrere Fassungen nebeneinander, die zum Teil vollständig unabhängige Ergänzungen und Bearbeitungen erfuhren.
Diese Edition soll auch genutzt werden, um ein digitales Template für Germanist*innen, die wenig Know-how im Umgang mit digitalen Editionen haben, zur Verfügung zu stellen. Eine der Hauptfunktionen des Tools soll die synoptische Darstellung mehrere Texte und die Hervorhebung von Varianz und Konkordanz sein. Der technische Rahmen, der von Friedrich Haak erarbeitet wird, soll möglichst simpel und generisch sein und an existierende static site generator anknüpfen. Die Umsetzbarkeit davon ist noch fraglich; was bereits besteht ist ein (teil-)automatisierbarer Workflow (mittels XSLT, verfügbar auf Github): einem Textzeugen entspricht ein HTML-Snippet, das dann (via Javascript) ins Frontend geladen und (via CSS) ausgespielt wird. Dem Snippet entspricht ein JSON-File mit Metadaten und Pfaden. Das Projekt befindet sich noch in Entwicklung, zumal einige der geplanten Funktionen erst eingebaut werden müssen. Wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, müsste das Template an einer größeren Menge an Daten, durch Testintegration einer bestehenden Edition oder Zurverfügungstellung an Forschende, getestet werden.
An der Diskussion, die an die Präsentationen anschloss, beteiligten sich neben den bisher Genannten besonders Max Kaiser (UB Wien) und Peter Andorfer (ACDH-CH). Wie bereits zuvor in den Vorträgen wurde mehrmals die Problematik angesprochen, dass viele Forschende nicht genügend technisches Know-how für eine alleinige Umsetzung von digitalen oder hybriden Editionen besitzen. Daher bestand Einigkeit im Wunsch nach strukturierten – idealerweise automatisierten – Work-Flows und einer allgemeingültigen, statischen Lösung mit langfristiger Verfügbarkeit. Dafür sollte es Verantwortlichen mit technischem Background geben, die mit den verschiedenen laufenden Projekten in Verbindung stehen.
Zugleich wurde eingemahnt, dass von geisteswissenschaftlicher Seite ein Paradigmenwechsel nötig ist. Es sei nicht mehr möglich, Editionen bloß analog zu denken und von der informatischen Seite eine digitale Umsetzung zu erwarten. Vielmehr sollten Editionen grundlegend digital – gegebenenfalls hybrid – gedacht werden oder Ausnahmen davon begründet werden, wie es die DFG bereits in ihren Förderrichtlinien praktiziert.
Freilich entsteht dadurch das Problem, dass von Förderstellen häufig eine digitale Edition eingefordert wird, was wiederum Verlage ungern sehen, da ihrer Meinung nach die Verfügbarkeit einer digitalen Edition für geringere Verkaufszahlen der Print-Version sorgt. Diese vermutete Differenz lassen sich die Verlage oft in Form einer Einmalzahlung von Editionsprojekten vergüten, sodass diesen Mehrkosten entstehen. Hier reiht sich die Editions-Problematik in den größeren Kontext des Open-Access-Publishing ein.
Bezüglich der angesprochenen Problematik der Bildrechte der Papstregister wurde schließlich zu Protokoll gegeben, dass vom ACDH-CH gerade eine diesbezügliche Handreichung ausgearbeitet wird. Den Forschenden werden darin die notwendigen Schritte, um Bildrechte von Archiven und Bibliotheken für Publikationen zu erhalten, erläutert. (Bericht: Stefan Haindl)